Schokolade: Weltweites Genussmittel und einstiger Luxusartikel des Adels – heute schon für unter einem Euro im Supermarkt erhältlich. Spätestens seit 2010, als eine internationale Umweltschutz-Organisation in einem Online-Video auf die Produktionsbedingungen von Schokoladenriegeln aufmerksam machte und damit eine weltweite Entrüstung über die produzierenden Firmen auslöste, bietet sich Schokolade als Mittel an, um auf die gesellschaftlichen und alltäglichen Dimensionen aufmerksam zu machen. Dies kann sich sowohl in den Vorteilen der Globalisierung als auch in den schlechten Lebensbedingungen der Menschen in den Produktionsländern zeigen.
Berufsfeldpraktikum mit Schokolade
Das dachten sich auch die Verantwortlichen von "Vernetzte Alltagswelten". Sie boten Berufsfeldpraktika an, in denen sich Schüler*innen in einem Durchgang sowohl mit der dunklen als auch der buntenSeite von Schokolade befassten – stellvertretend für eine differenzierte Wahrnehmung und Beurteilung ihrer normalen Lebenswelt in einer globalisierten Gesellschaft.
Vernetzung von Lehramt und Ethnologie
Das 2015 als Pilotprojekt gestartete interdisziplinäre Berufsfeldpraktikum "Vernetzte Alltagswelten" bot sowohl Lehramts- als auch Ethnologie-Studierenden die Möglichkeit, eine Schulprojektwoche zu Produkten der Alltagswelt und ihren globalen Zusammenhängen zu gestalten. Damit verbanden das Institut für Ethnologie und das Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) der Universität zu Köln die berufsfeldpraktische Lehramtsausbildung mit schulischem Projektunterricht.
Feldforschung in Schule
Das Berufsfeldpraktikum ist im zweiten Studienjahr Bestandteil der Lehramtsausbildung an der Universität zu Köln. Mit diesem Praktikum sollen außerschulische Berufsfelder oder Bereiche anderer Schulformen kennengelernt werden. "Vernetzte Alltagswelten" ermöglichte, schulischen Unterricht fernab gewohnter Unterrichtsmethoden kennenzulernen und selbst mit zu entwickeln. Im Rahmen eines reflektierten Prozesses mit eigenen Fragestellungen warfen die Studierenden einen forschenden, ethnologischen Blick auf Schule. Die Schüler*innen warfen im Rahmen einer Exkursion einen Blick in Lernwelten außerhalb der Schule und wurden zu eigenständigen Feldforscher*innen.
Selbstreflexion vom Vorbereitungsseminar bis zum E-Portfolio
Bevor die Studierenden in die Schulprojektwoche mit den Schüler*innen starteten, wurden sie in einem Vorbereitungsseminarmit professionellem Coaching, organisiert von ZfL und dem Institut für Ethnologie, unterstützt. Im Rahmen des Seminars
bereiteten die Studierenden die Unterrichtsprojekte vor,
erarbeiteten sich didaktische und pädagogische Konzepte und
lernten Grundlagen ethnologischer Methoden.
Alle Studierenden schrieben während des Seminars an einem Projekttagebuch. Dieses war zugleich Grundlage für das professionelle Selbstverständnis, das wiederum Teil des verpflichtenden Portfolios zum Berufsfeldpraktikum der Lehramt-Studierenden ist. Ethnologie-Studierende verfassten damit ihren Praktikumsbericht.
Lernen im Team durch individuelle Interessensschwerpunkte und Kompetenzen
Das Berufsfeldpraktikum richtete sich sowohl an Lehramtsstudierendealler Schul- und Fächerkombinationen als auch an Ethnologiestudierende (im Ergänzungsmodul). Im Coaching stärkten die Studierenden in ihren Kompetenzen, ähnlich wie Lehrende das auch mit ihren Lernenden tun sollten.
Berücksichtigt wurden auch die Studienfächer: Studierende der Wirtschaftswissenschaften konnten sich in diesem Fall z. B. mit dem fairen Schokoladen-Markt und den jeweiligen Produktions- und Vermarktungsstrategien auseinandersetzen. Das ging etwa anhand eines selbst kreierten Werbeplakats. Während andere den Schüler*innen z. B. mit einem Rollenspiel eine Annäherung an die ökonomischen und kulturellen Ursachen der Kinderarbeit ermöglichen konnten.
"Die intensive Arbeit in interdisziplinären Lernteams hat sich dabei besonders bewährt und lässt auch die Studierenden über den Tellerrand ihres Faches hinaus blicken."
Neue Perspektiven auf Vielfalt als Gewinn für die eigene Unterrichtsgestaltung
Lehramtsstudierende konnten von ethnologischen Herangehensweisen bei ihrer projekt-orientierten Unterrichtsgestaltung profitieren. Denn durch Anwendung ethnografischer Zugänge konnten die zukünftigen Lehrkräfte sowohl sich selbst als auch ihre Schüler*innen in die Lage versetzen, als Forscher*innen die Schule und damit vernetzte Lebenswelten zu erkunden.
Schüler*innen und Studierende wurden so ermuntert, auf das Gewohnte einen anderen, forschenden Blick zu werfen, sich selbst und eigenes Handeln zu hinterfragen. "Das ermöglicht, die Augen für eigene und andere Vielfalt zu öffnen", betonte Heike Heinemann-Bollig.
Für Ethnologiestudierende war das Projekt eine gute Möglichkeit, Berufsfelder im Bildungsbereich auszuprobieren und dabei ethnologische Arbeitsweisen anzuwenden.
Wenn die Studierenden uns am Ende des Projekts erzählen, dass sie selbst neue Perspektiven im Umgang mit der heterogenen Gesellschaft für ihren späteren Lehramtsberuf sammeln konnten, weiß ich, dass sich unsere Arbeit doppelt lohnt. Ich freue mich, auch in diesem Jahr "Vernetzte Alltagswelten" mit meinen Kolleginnen anbieten zu können.